„Mein Partner lässt immer seine Socken in der Wohnung ‚rumliegen und wenn ich etwas sage, kann er überhaupt nicht mit Kritik umgehen.“ „Sie ist oft beleidigt, meine Partnerin fühlt sich immer gleich kritisiert.“
Solche Sätze fallen, wenn in der zweiten Phase der Partnerschaft der erste Lack bröckelt. Sie kommen zustande, wenn dem Partner beziehungsweise der Partnerin Kritikunfähigkeit vorgeworfen wird. Was aber ist Kritik und was hat diese in einer Partnerschaft zu suchen? Kritik ist die Bewertung oder Beurteilung eines Verhaltens oder einer Person anhand von objektiven oder subjektiven Maßstäben. In der Schule herrscht ein hierarchisches Gefälle und die Lehrerin weiß bestimmte Dinge schlicht besser. Kritik ist hier meist objektiv und bei der Korrektur eines Diktats angebracht. Ebenso verhält es sich beim Einstudieren eines Golfschlags. Der eigens dafür eingestellte Trainer darf nach objektiven Kriterien korrigierend eingreifen.
Aber in einer Beziehung auf Augenhöhe? Kritik in Partnerschaft bedeutet, dass einer glaubt, es besser zu wissen. „Du machst es falsch“ oder sogar „Du bist falsch.“ Woher nimmt der kritisierende Partner seinen Maßstab? Meistens beruft er sich auf Zustände und Verhaltensweisen, wie er sie sie schon in seiner Kindheit beobachtet und als „richtig“ abgespeichert hat und die zu einem tief verwurzelten Glaubenssatz geworden sind. Das führt zu einer latenten Überzeugung von „Ich weiß es besser“ und die schwingt immer mit. Und wenn jemand mit diesem Unterton angesprochen wird, führt das fast zwangsläufig zu einer Abwehrhaltung und „Stillstand in der Kommunikation. Mit anderen Worten: In dem Moment ist er nicht kritikfähig.
Zurück zu unserem Beispiel: Manche Haushalte sind extrem aufgeräumt und in anderen herrscht das schiere Chaos. Manche sind eine „geometrische Ordnung“ gewohnt und andere eine „praktische Ordnung“, in der man zumindest meist findet, was man sucht. Welche ist aber die bessere Ordnung und wer sagt das? Du denkst vielleicht: „Ich sage das.“ Damit stellst du deine eigenen Glaubenssätze, Standards oder Gewohnheiten über die des Partners. In einem hierarchischen System des beruflichen Umfelds oder des Sports funktioniert „konstruktive“ Kritik. Funktioniert sie aber auch zwischen gleichberechtigten Partnern?
„Kritik ist ein No-Go in Partnerschaft“ bedeutet natürlich nicht, zu verstummen und alles zu ertragen. Ganz im Gegenteil ist es sehr wichtig, alles, was dir nicht gefällt, anzusprechen. Zeitnah. Mit Wertschätzung. Außerhalb einer emotional aufgeheizten Krisensituation. Dann hast du die größte Chance, dass dein Partner dir auch zuhört. Und du sprichst von dir, dass dir etwas nicht gefällt. Und dann wird er in Zukunft womöglich seine Socken wegräumen. Und vielleicht nur aus dem Grund, dir eine Freude bereiten zu können. Und vielleicht bekommt ihr im Gespräch heraus, dass er dir mit den Socken unbewusst zeigen wollte, dass er an einer andern Stell von dir nicht bekommt, was er will.
Aus unserm Buch: „Im Paarcoaching ist es immer sehr berührend, wenn die Partner bereit sind, ihre Sichtweise auf den anderen zu ändern, und wieder ihr Herz aufmachen für die Person, in die sie sich mal verliebt haben. Das bedeutet, Verantwortung für die eigenen Sichtweisen zu übernehmen und anzuerkennen, dass sie nicht die Realität sind. Die Perspektive kann nur jeder für sich ändern. Nur dann können sich beide wieder interessiert zuhören und in Erfahrung bringen, was ihnen fehlt und was sie brauchen, um zufrieden mit sich und der Partnerin zu sein. Auf dieser Basis können sie nun gemeinsame Vereinbarungen treffen, mit denen sie sich gegenseitig unterstützen.“